Von Bergen und Staubmäusen

Frühmorgens um 6 Uhr. Ich breite meine Yogamatte neben dem Bett aus, stelle mich an den Anfang der Matte, atme tief ein und beginne mit dem Sonnengruss. Alles ist im Fluss - bis ich im herabschauenden Hund ankomme. Da passiert es. Aus den Augenwinkeln entdecke ich eine Staubmaus, die langsam unter meinem Bett hervorkriecht. Egal, denke ich noch, die spielt jetzt keine Rolle. Und doch ist sie jetzt nicht nur unter meinem Bett, sondern auch in meinem Kopf.

Auf dem Bild ist eine Computermaus zu sehen, die mit Staub bedeckt ist.
Staubmäuse machen sich überall breit.

Wenn Steinchen (oder Staubmäuse) zu Bergen ...

Die Staubmaus wächst in meinem Kopf zu einem regelrechten Ungeheuer heran. Denn da ist ja nicht nur sie, sondern auch die ganze Liste von Terminen und to do's des heutigen Tages. In meinem Kopf schreit es - wann soll ich das alles erledigen?!?!

Höchste Zeit diesem Berg den Kampf anzusagen. In meinem letzten Blogartikel habe ich ja lang und breit beschrieben, wie selbstbestimmt und kraftvoll ich mein Leben gestalte. Und jetzt soll mich eine Staubmaus in den Wahnsinn treiben? Nein, no way!!!

Auf dem Bild ist die felsige Umgebung der Chelenalphütte.
Berge scheinen manchmal unbezwingbar hoch - so manchmal auch meine todo Liste.

Da muss ich an "Momo" von Michael Ende denken. Erinnerst du dich an Beppo den Strassenkehrer? Der sagt da etwas sehr Weises zu Momo:

 

"Manchmal hat man eine sehr lange Strasse vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.

Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz ausser Puste und kann nicht mehr. Und die Strasse liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Strasse auf einmal denken, verstehst du?

Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.

Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Strasse gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht ausser Puste. Das ist wichtig."

 

Wirklich ein sehr weiser Mann, dieser Beppo:)  

...und Berge zu Steinchen werden.

Also yogiere ich weiter. So lange bis die Sonne ausreichend gegrüsst ist und es sich richtig anfühlt. Dann schnappe ich mir mein Bullet Journal. Darin zerlege ich die Berge zu Steinchen. So kann ich sie dann ganz einfach abtransportieren :)

 

Ich gebe es ja zu, ganz so einfach wie ich es hier aufschreibe, war es zu Beginn denn doch nicht. Denn mit dem Aufschreiben all der Dinge die erledigt werden müssten, ist es dann halt meist nicht getan. Mir fallen oft mehr Dinge ein, als der Tag Stunden hat. Ich musste Lernen all die todo's im Kopf in Gruppen einzuteilen. Denn nicht alle Aufgaben sind dringend und unaufschiebbar. Darum ist es erstmal wichtig, Prioritäten zu setzen. Dabei überlege ich mir Folgendes:

 

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Was sollte heute unbedingt erledigt werden? Dieses Unbedingt lässt sich nicht verschieben, weil eine Deadline dranhängt, der Kühlschrank gähnend leer ist und die Kinder bereits quängeln oder überhaupt beim Aufschieben eine familiäre Krise ausbrechen würde.

 

Was sollte heute Platz haben, damit ich mich wohl fühle und entspannt bleiben kann? Diese für mich Zeit ist kostbar. Sie darf kurz sein - 10 Minuten Beine hoch und Kaffee trinken, 15 Minuten im Lieblingsbuch lesen, 10 Minuten meditieren.

 

Was lässt sich auch morgen oder übermorgen noch erledigen? Z.B. Staubmäuse einfangen :)

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Das hilft mir schon mal, dass der Berg viel kleiner scheint.

Schritt für Schritt

Auf dem Bild sind die Beine von Sandra Lehner zu sehen. Sie trägt eine grüne Hose und pinke Turnschuhe. Sie geht über Waldboden.
Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken - sagt Beppo der Strassenkehrer zu Momo.

Und hier kommen wir zurück zu Beppo: Wenn ich erstmal meine Liste geschrieben habe, erledige ich eine Arbeit, ohne dabei darüber nachzudenken, was noch alles zu tun ist. Genauso, wie es Beppo beim Strassenkehren gemacht hat.

Wenn die Arbeit erledigt ist, nehme ich mein Bullet Journal (oder Notizzettel, Schreibblock, Notizbuch - wo immer die Liste geschrieben steht), kreuze die erledigte Arbeit ab und wähle dann die Nächste aus. Schritt für Schritt und eine nach der anderen erledige ich meine Aufgaben. Und braucht mich zwischendurch eines der Kinder, kommt ein Anruf oder klingelt die Nachbarin, hilft mir meine Liste wieder zurück zu meinen Aufgaben zu finden. So schaffe ich meist alles, was ich mir vorgenommen habe (ja, mit der Zeit habe ich gelernt nur noch so viel auszuschreiben, wie ich ohne grössere ungeplante Zwischenfälle auch schaffen kann ;) Je kleiner die Kinder sind, desto weniger todo's sollten auf der Liste stehen. Die Zeit mit unseren Kindern und unseren Liebsten lässt sich nicht in Listen eintragen und abarbeiten. Diese Zeit ist unendlich kostbar. Staubmäusen und Wäschebergen ist es egal, wenn wir sie nicht beachten. Unsere Kinder und unsere Liebsten brauchen unsere Aufmerksamkeit mehr. Dies nur so als Anmerkung am Rande ;)) Und am Abend freue mich über die Kreuze auf der Liste und denke wow, das habe ich alles geschafft!

 

Und habe ich am Abend doch nicht alles geschafft, bekommt die Aufgabe einen Pfeil und fällt am nächsten Tag wieder in den Lostopf. So einfach ist das :) 

Welchen Berg kannst du heute in Steinchen zerlegen und was oder wem schenkst du besonders Aufmerksamkeit?

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Kommentare: 2
  • #1

    Doreen (Mittwoch, 12 Mai 2021 19:11)

    Sehr schön geschrieben. Man findet sich wieder. Gute Idee die Berge aufzuschreiben damit die Steine besser händeln kann ���

  • #2

    Sarah (Mittwoch, 12 Mai 2021 19:50)

    So ein toller Artikel, danke dir fürs Teilen! Den Berg in Steinchen zerlegen, das merke ich mir. Ist mit Sicherheit auch ganz allgemein eine super Strategie, um seine Ziele zu erreichen...